Donnerstag, 14. August 2014

Seefahrerherz



Es liegt wohl drin, pro Monat Ferien eine touristische Attraktion mitzumachen. Zwar haben wir die ersten sieben Wochen keine einzige derartige Veranstaltung besucht, dafür in Hamburg gleich zwei hintereinander. Beide haben sich trotz Menschengetümmel sehr gelohnt, aber so richtig Eindruck gemacht hat mir die „Insider-Tour“ im Hamburger Containerhafen. Das Jasper-Busunternehmen (normalerweise geht der hamburger Tourist wohl mit dem Boot auf Hafentour), das mit der Hafen- und Logistik AG kooperiert, ermöglicht viermal pro Woche Einsicht in den Containerhafen.


Der Containerhafen hat, zumindest für mich als Schweizerin, unvorstellbare Dimensionen (die Tatsache, dass die Busfahrt geschlagene 3 Stunden dauerte, spricht für sich). Da stapeln sich Container wie bei Valserwasser die Harassen, sechs Container können maximal aufeinander gestapelt werden im Hafen (in den Schiffen werden deutlich viel höhere Stapel gemacht). Vor lauter Blech sieht man häufig nicht um die nächste Ecke, hinter der allenfalls einer dieser Monster-Stapler hervorschiesst. Trotz seiner zwanzig Tonnen Eigengewicht bewegen sie sich sehr agil und mit grosser Geschwindigkeit über das ganze Gelände.


Ebenfalls einen bleibenden Eindruck hat der Seemannsclub Duckdalben hinterlassen. Er wurde von der Seemannsmission Hamburg gegründet und ist ein Aufenthaltsort für Seefahrer, die in Hamburg stationiert sind, aber keine Zeit haben, um in die Stadt zu gehen. Der Zeitdruck lässt einen Besuch in der Stadt meist nicht zu, weshalb die Seemänner in den Seemannsclub Duckdalben gehen. Dort finden sie alles Wichtige vor, das sie auf ihrem Schiff nicht haben: Telefonkabinen, Laptops, eine Bar inklusive Karaoke, ein gemütlicher Garten, Basketballfelder, Tischtennistische, etc.

Wir hatten das Glück, dass einer der ehrenamtlichen Seemannsclub-Mitarbeitenden Zeit hatte und uns das Obergeschoss des Clubs zeigte. Im Obergeschoss dieses doch eher „bärtigen“ Clubs liegt der Raum der Stille. Hier finden die Seefahrer Gebetsecken der acht wichtigsten Weltreligionen. Der Jude kniet neben dem Sikh, ein Moslem betet gleichzeitig neben einem Hindu. Die Schaffung dieses Raums erfuhr starken Gegenwind, und ich bin einmal mehr wütend darüber, dass die Obrigkeiten der Religionen so fest davon überzeugt sind, dass nur die ihre die einzig Wahre ist, und niemals andersartige Andachtsnischen im selben Raum koexistieren dürfen. Ich bin aber auch irgendwie stolz auf die Menschen, denen das so gar nichts ausmacht, denen es völlig unwichtig ist, dass neben ihnen noch andere Glaubensangehörige anwesend sind und gleichzeitig verschiedene Gottheiten angerufen werden. Ihnen ist einfach nur wichtig, dass sie ihren Glauben leben können, friedlich und mitten in allen anderen Konfessionen. Wenn nur alle Menschen so wären, offen und tolerant Fremdem gegenüber, nicht so von ihrer eigenen „Richtigkeit“ überzeugt!


Nach der Seemannsmission folgte der zweite Teil der Tour, im „modernen“ Teil es Hafens. Hier sind die Stapler automatisiert, sie werden per Computer und mittels Sensoren unter dem Strassenbelag gesteuert. Sie sehen tatsächlich seltsam aus, diese unbemannten Fahrzeuge, und sie haben mir ein Lachen entlockt, weil sie blinken und Bremslichter betätigen wie echt, obwohl alle ihre computergesteuerten Strassenkameraden ja das Geblinke gar nicht sehen können. 

Wir hatten Glück, zeitgleich mit unserem Besuch wurde eines der ganz grossen Containerschiffe entladen. Es kommt aus Singapur und kann 16‘000 Container (die grossen, zwölf Meter langen) laden. Die Luken in den Zwischenböden werden für den Ladevorgang mal eben mit dem Kran hochgehoben und neben unserem Bus abgesetzt. Das wummert unglaublich, wenn die 40 Tonnen schwere Luke ganz sanft auf dem Boden platziert wird. Spätestens ab hier hat mein bis dahin nicht vorhandenes Seemannsherz höher zu schlagen begonnen. Eine ganz eigene Atmosphäre ist zu spüren, zu hören, zu riechen, zu sehen hier.



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