Montag, 23. Juni 2014

Unvernetzt ins Paradies



Ich habe sie verlassen, die vernetzte Welt – ok, nicht ganz, aber sehr grossflächig. Seit ich auf einer kleinen Insel südlich von Schweden mitten im Meer sitze, weiss ich, was tiefenentspannt wirklich meint. Etwas mehr als ein Tag im kompletten Ruhezustand hat gereicht um zu vergessen was Stress heisst, oder das dieses Unding überhaupt existiert.
Zuhause würde die Liste meiner Umgebungsgeräusche ungefähr so aussehen: Verkehrgetobe, das Tippen von Tastaturen, das aggressive Klicken der Computermäuse, das aufdringliche Telefonieren anderer Menschen an Orten, an denen ich der Konversation nicht ausweichen kann (leider hat ein Pamir nicht auch noch Platz in  meiner Handtasche), der „Elfi-Flüüger“ gleich über dem Hausdach, die Liste kann fast unendlich weitergeführt werden, aber eben, das Tippen der Tastatur passt zur Zeit gerade nicht in meine Umgebung). 

Geräusche, die meine Ohren auf der Insel wahrnehmen: Wellenrauschen, sanfte Vogelstimmen und feine Flügelschläge, Birkenblätter, die leise im Wind rascheln (es müssen ja nicht immer Palmen sein), Hasenpfoten, die über die Wiese trippeln, Moskitos, die ans Fenster klopfen, das Wiegen der Hängematte (nein, leider nicht, davon träume ich erst). Seit der Erfindung des E-Books ist während der Lektüre nicht einmal mehr ein Umblättern zu hören. 

Wofür ich mich entscheide? Ich bleibe auf der Insel, so lange wie möglich, so still wie möglich, so entspannt wie noch nie. Der kleine Supermarkt im Nachbarsdorf sichert das leibliche Wohl, Sonnenhut und –brille übernehmen den Rest, und natürlich nicht zu vergessen die bequemen schwedischen Strandstühle.

Sogar während ich hier am Wohnzimmertisch sitze und diesen Text schreibe, höre ich den Wind durch die Bäume sausen, durch eine runde Luke sehe ich direkt hinauf in den Himmel. Hinter mir sind das Meer und ein grosses Holzdeck, auf dem genügend Platz für Liegebett, Lesestuhl oder eben eine Hängematte ist.

Was mich zusätzlich zur Ruhe kommen lässt: Es gibt kein Internet, sprich keine Mails, keine Whatsapps, keine Möglichkeit zum Zeitunglesen (ausser in Papierform, auf Schwedisch), keinen Wetterbericht, kein regelmässiges in-die-Hand-Nehmen des Smartphones, weil mir ja in der Zwischenzeit jemand etwas unglaublich Wichtiges hätte schreiben können. Sogar der Fernseher ist frei von deutschen Sendern. Zudem ist die Qualität der Übertragung so schlecht, dass die Augen und Ohren laut aufjaulen und ich mich wieder dem Buch, dem Stück Schokolade oder dem Glas Wein zuwende (idealerweise nicht oder, sondern und).

Zusammengefasst: Ohne Netz (und doppelten Boden) auf direktem Weg ins Paradies.


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