Einmal musste es ja sein: Nach zehn zeit- und vor allem
weckerlosen Tagen wurde ich heute Morgen zum ersten Mal wieder unsanft aus dem
Schlaf gerissen. Nicht etwa von meinem netten Wecker zuhause, der mich
wunschgemäss mit Vogelgesang, Wellenrauschen oder Regentropfen (natürlich vom Geräusch,
nicht von den eigentlichen Tropfen) ganz langsam zurück in die Wirklichkeit
holt, sondern von einem hässlich piepsenden Uhrenwecker. Ganz schlimm, wenn
dies das Erste ist, was ich vom Tag zu hören bekomme.
Ganz unbeteiligt am Weckerdebakel war ich nicht, nachdem
gestern Nacht spontan der Entschluss gefallen ist, heute Morgen früh eine
Boots-Tour zu machen. Die Tour wird von einem Linienschiff angeboten, was
bedeutete, dass wir heute um 08.30 Uhr am Steg stehen und die Flagge hiessen
mussten (weil unsere Haltestelle nur mittels „Halt auf Verlangen“ bedient
wird).
Der Fussweg zum Steg beträgt 35 Minuten (im Eiltempo, wer im
Schneckentempo geht, verpasst das Boot, und das fährt auf die Minute pünktlich,
was als Schweizer zum Glück nichts Neues ist), das heisst, nach
einer Rückwärtsrechnung legte das üble Weckergeschrei bereits um 06.45 Uhr los. Also
raus aus den Federn, Kopf unter das kalte Wasser, Kaffee, Müesli und
Orangensaft einverleiben, Zähneputzen, Tasche packen, Sonnencrème einschmieren,
Sonnenbrille aufsetzen und Abmarsch.
Kurz nach unserem Haus begegnete uns eine Frau mit Hund,
grüsste uns freundlich und spazierte gemütlich weiter. Wir kamen nach exakt 35
Minuten leicht ausser Atem am Steg an, und was mussten wir feststellen?
Dieselbe Frau mit demselben Hund war schon da, und machte den Eindruck, als
wäre sie schon deutlich länger hier als wir. Seltsam, es muss eine Abkürzung
geben, die uns noch nie zuvor aufgefallen ist.
Dank der gehiessten Flagge nahm uns das Boot freundlich auf
und schiffte davon, vorbei an den unzähligen kleinen Inseln, hinein in die
schönen ruhigen Segelhäfen. Diese Umgebung ist eine der schönsten, die ich je
gesehen habe: Meer, aber gespickt mit mal felsigen, mal grünen, mal bewaldeten
Oasen, die verschiedenste Vogelarten beherbergen und die (neben
Sommerfrischlern) auch noch von tatsächlichen Fischern bewohnt werden. Das
einzige Geräusch war das Stampfen unseres Motors (Schande!!). Ich würde jederzeit ein solches Cottage adoptieren, hier findet
man Ruhe, wie sie im Buch steht, und eine Natur, die unbeschreiblich schön ist.
Die windige Fahrt dauerte etwas mehr als drei Stunden,
während derer ich jede Minute zuoberst vorne am Deck stand (respektive
zu stehen versuchte, der Wellengang war ab und zu etwas gegen mich). Wir waren
insgesamt vier Personen auf dem Schiff, die anderen zwei verkrochen sich nach
dem ersten Halt bereits in die warme Kabine. Mir tat frische Luft gut, und
mein Magen dankte es bis ganz am Schluss, nie hat er gejammert, es sei ihm
übel, nie hat er rebelliert, weil er mit den unüblichen Bewegungen nicht
mithalten konnte. Zur Belohnung gab‘s beim Aussteigen das erste schwedische
Glacé (zum Mitnehmen), himmlisch! Nicht nur einmalig lecker, sondern auch sehr
gross, mmmhh...
Auf dem Weg zurück zu unserem Haus versuchten wir, die
Abkürzung zu finden und bogen abenteuerlustig in den erstbesten Waldweg ein,
der in die richtige Himmelsrichtung führte. Tatsächlich, er brachte uns in der
Hälfte der Zeit ans Ziel! Naja, wenigstens kennen wir jetzt auch den kurzen Weg
zum öV, auch wenn wir ihn nicht mehr brauchen.
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