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Mittwoch, 2. Juli 2014

Zeitlos



Einmal musste es ja sein: Nach zehn zeit- und vor allem weckerlosen Tagen wurde ich heute Morgen zum ersten Mal wieder unsanft aus dem Schlaf gerissen. Nicht etwa von meinem netten Wecker zuhause, der mich wunschgemäss mit Vogelgesang, Wellenrauschen oder Regentropfen (natürlich vom Geräusch, nicht von den eigentlichen Tropfen) ganz langsam zurück in die Wirklichkeit holt, sondern von einem hässlich piepsenden Uhrenwecker. Ganz schlimm, wenn dies das Erste ist, was ich vom Tag zu hören bekomme.


Ganz unbeteiligt am Weckerdebakel war ich nicht, nachdem gestern Nacht spontan der Entschluss gefallen ist, heute Morgen früh eine Boots-Tour zu machen. Die Tour wird von einem Linienschiff angeboten, was bedeutete, dass wir heute um 08.30 Uhr am Steg stehen und die Flagge hiessen mussten (weil unsere Haltestelle nur mittels „Halt auf Verlangen“ bedient wird). 


Der Fussweg zum Steg beträgt 35 Minuten (im Eiltempo, wer im Schneckentempo geht, verpasst das Boot, und das fährt auf die Minute pünktlich, was als Schweizer zum Glück nichts Neues ist), das heisst, nach einer Rückwärtsrechnung legte das üble Weckergeschrei bereits um 06.45 Uhr los. Also raus aus den Federn, Kopf unter das kalte Wasser, Kaffee, Müesli und Orangensaft einverleiben, Zähneputzen, Tasche packen, Sonnencrème einschmieren, Sonnenbrille aufsetzen und Abmarsch. 

Kurz nach unserem Haus begegnete uns eine Frau mit Hund, grüsste uns freundlich und spazierte gemütlich weiter. Wir kamen nach exakt 35 Minuten leicht ausser Atem am Steg an, und was mussten wir feststellen? Dieselbe Frau mit demselben Hund war schon da, und machte den Eindruck, als wäre sie schon deutlich länger hier als wir. Seltsam, es muss eine Abkürzung geben, die uns noch nie zuvor aufgefallen ist.

Dank der gehiessten Flagge nahm uns das Boot freundlich auf und schiffte davon, vorbei an den unzähligen kleinen Inseln, hinein in die schönen ruhigen Segelhäfen. Diese Umgebung ist eine der schönsten, die ich je gesehen habe: Meer, aber gespickt mit mal felsigen, mal grünen, mal bewaldeten Oasen, die verschiedenste Vogelarten beherbergen und die (neben Sommerfrischlern) auch noch von tatsächlichen Fischern bewohnt werden. Das einzige Geräusch war das Stampfen unseres Motors (Schande!!). Ich würde jederzeit ein solches Cottage adoptieren, hier findet man Ruhe, wie sie im Buch steht, und eine Natur, die unbeschreiblich schön ist.

Die windige Fahrt dauerte etwas mehr als drei Stunden, während derer ich jede Minute zuoberst vorne am Deck stand (respektive zu stehen versuchte, der Wellengang war ab und zu etwas gegen mich). Wir waren insgesamt vier Personen auf dem Schiff, die anderen zwei verkrochen sich nach dem ersten Halt bereits in die warme Kabine. Mir tat frische Luft gut, und mein Magen dankte es bis ganz am Schluss, nie hat er gejammert, es sei ihm übel, nie hat er rebelliert, weil er mit den unüblichen Bewegungen nicht mithalten konnte. Zur Belohnung gab‘s beim Aussteigen das erste schwedische Glacé (zum Mitnehmen), himmlisch! Nicht nur einmalig lecker, sondern auch sehr gross, mmmhh...

Auf dem Weg zurück zu unserem Haus versuchten wir, die Abkürzung zu finden und bogen abenteuerlustig in den erstbesten Waldweg ein, der in die richtige Himmelsrichtung führte. Tatsächlich, er brachte uns in der Hälfte der Zeit ans Ziel! Naja, wenigstens kennen wir jetzt auch den kurzen Weg zum öV, auch wenn wir ihn nicht mehr brauchen.

Sonntag, 29. Juni 2014

Ein nicht ganz vegetarisches Dessert



Als ehemaliger Vegetarier bevorzuge ich es, wenn ein Dessert nicht tierisch ist (ausser in Kombination mit „tierisch gut“ natürlich). Naja, üblicherweise werden Nachspeisen wohl nicht nur in der Schweiz, sondern in allen Ländern ohne Tier auf dem Teller angeboten. Bildet Schweden da etwa eine Ausnahme?

Auf einer wunderschönen Velotour über die Insel Aspö (dahin gelangt nur, wer mutig genug ist, die mittlerweile doch schon in die Jahre gekommene Fähre zu nehmen, gut schwimmen kann oder selber ein Boot besitzt) ist mir ein hübsches kleines Café aufgefallen. Direkt am Meer gelegen, geführt von einem älteren, sehr herzlichen Ehepaar, wirkte es mehr als nur einladend, und etwas Bequemeres als den Velosattel unter meinem Derriere zu haben sprach ebenfalls nicht gegen einen Café-Stopp.
Unter den vielen Bäumen im Garten standen in typischer Schweden-Art verschieden farbige Holzstühle und –bänke, alles mit Sicht aufs Meer, sogar ein Veloabstellplatz war vorhanden. 

Der Blick auf die Speisekarte hingegen war dann im ersten Moment doch eher erstaunlich: Våfflar med vanilj glass och jordBÄR!! Ein Bär zum Dessär? Reimt sich zwar, aber da hat ja höchstens eine Pfote auf dem Teller Platz, und sowieso, wie soll ich einen ganzen Bären verspeisen? Und dann soll er auch noch hausgemacht sein? Vielleicht ein Bio-Bär? Die umgekehrte Vorstellung, also ich im Bauch des Bären, fällt mir deutlich einfacher, auch wenn ich mir das nicht so genau vorstellen möchte, Bärenattacken sind ja bekanntlich schmerzhaft. 

Wagemutig habe ich mich aber trotzdem vor den alten Mann hingestellt und ihm meine Bestellung abgegeben, zwei Bären bitte und einen Birnensaft. Eine knappe Viertelstunde später näherte sich, leichtfüssig serviert von einer natürlich blonden Schwedin, tatsächlich ein Tablett unserem Tisch. OHNE Bär!! Bei genauerem Hinsehen hatte die Waffel zwar eine bärenpfoten-ähnliche Form (vielleicht waren es auch vier Herzen, hm, gut möglich), aber obendrauf lachten mich zwei Kugeln Vanille-Eis an. Weit und breit war nichts von einem Bären zu sehen. Was war da falsch? 

Nach der Konsultation des Wörterbuchs stellte sich heraus, dass der Bär ein Erdbär-, äh, Erdbeer ist und unglaublich gut schmeckt. Jordbär heisst also Erdbeere und ist hier an jeder Ecke zu kaufen. Erstaunlicherweise schmecken diese nordischen Bären deutlich viel besser als unsere Schweizer Erdbeeren, den Grund dafür habe ich noch nicht herausgefunden, womit das nächste Gesprächsthema mit Madelen, der einzigartigen Vermieterin dieses Hauses, auch bereits feststeht (es mangelt uns zwar nie an Themen).

Ihr Hund, ganz im Gegensatz zum missverständlichen Jordbär, ist tatsächlich ein Bär: Riesengross, schwarz, und knurrt ganz fürchterlich, wenn ihm jemand nicht in den Kram passt. Der Bär heisst Sassa und ihre Hauptbeschäftigung als Hunde-Teenie ist herumzutollen. Was bei den vielen Kilos eher lustig anzusehen ist, solange sie einen nicht einfach niedermäht. So geschehen bei einer gemütlichen Gesprächsrunde, stehend, im Garten. Sassa schleicht sich an, steht unauffällig vor mich hin, wedelt kurz mit dem Schwanz und lässt sich dann ohne Vorwarnung auf meine Füsse plumpsen. Nun wiegt sie ungefähr gleich viel wie ich, und da sie leider nicht direkt auf meine Füsse fiel, sondern ins Schienbein, katapultierte sie mich mit ihrem Manöver rückwärts aus der friedlichen Runde hinein in den Garten. Ihre schönen braunen Augen konnten nicht ganz von ihrem schelmischen Grinsen ablenken.


Donnerstag, 26. Juni 2014

Wo Fuchs und Hase sich Gut Nacht sagen


Fuchs und Hase sagen sich tatsächlich Gut Nacht! Und zwar hier, direkt vor „meiner schwedischen Waldhütte“. Da hoppeln Hasen umher, und einen Moment danach spaziert der Fuchs vorüber. Dazu krächzt ein Fasan (singen kann man dem wirklich nicht sagen), Nachbars Hund spielt Bär (der ist riesig und einem Braunbären nicht unähnlich), das Reh versteckt sich bis jetzt noch und wir sind Zuschauer inmitten dieses Spektakels.
Seit gestern geht Zuschauen gar noch komfortabler: Genau, die Hängematte hat ihren Platz nun gefunden, mit Meerblick natürlich, und mit Sicht auf die oben beschriebene Theaterwiese. Was will man mehr? Friedlich schaukelnd liest sich ein Buch viel besser, lässt sich die Aussicht noch mehr geniessen, und sie kann, aus meiner hellhäutigen Sicht natürlich ein enormer Vorteil, als Sonnenschutz benutzt werden. Perfekt!
Eigentlich fehlt nur noch das Beistelltischchen für ein Glas Wasser (ok, ich gebs ja zu: Bier oder Wein schmeckt auch gut), daran arbeite ich noch. Nach der Holzfälleraktion von anfangs dieser Woche liegt noch genügend Holz im Garten, aus dem sich ein solches Accessoire basteln liesse. Problem der Bastlerei, respektive in diesem Fall Tischlerei: Der Hauptakteur, der dafür bestens geeignet wäre, ist völlig im Bann von Sudoku erraten (MIT Zeitmessung!) und Krimi lesen. Ihn von einer dieser Tätigkeiten wegzulotsen ist schwierig bis unmöglich, aber vielleicht schaffe ich es, ihn unter einem Vorwand zu den Holzbergen im Garten zu schleppen. Wer weiss?
In der Zwischenzeit schreibe ich weiter an meinem Blog, warte bis sich die Sonne wieder zeigt (der Wechsel von Sonne zu Regen ist immer sehr abrupt und ereignet sich mehrmals pro Tag) und überlege mir meine „Wie-gelange-ich-zu-einem-Beistelltisch“-Strategie. Auch könnte ich Fähren zählen, Vogelarten entziffern, Mückenschwärme vertreiben (zum Glück die nicht stechende Sorte), Segelschiffe per Fernglas verfolgen, Regentropfen fangen oder Wolkenkino geniessen. Die Möglichkeiten sind unendlich, ich habe die bittersüsse Qual der Wahl. Entscheiden werde ich mich wohl so oder so für die Hängematte.

Montag, 23. Juni 2014

Unvernetzt ins Paradies



Ich habe sie verlassen, die vernetzte Welt – ok, nicht ganz, aber sehr grossflächig. Seit ich auf einer kleinen Insel südlich von Schweden mitten im Meer sitze, weiss ich, was tiefenentspannt wirklich meint. Etwas mehr als ein Tag im kompletten Ruhezustand hat gereicht um zu vergessen was Stress heisst, oder das dieses Unding überhaupt existiert.
Zuhause würde die Liste meiner Umgebungsgeräusche ungefähr so aussehen: Verkehrgetobe, das Tippen von Tastaturen, das aggressive Klicken der Computermäuse, das aufdringliche Telefonieren anderer Menschen an Orten, an denen ich der Konversation nicht ausweichen kann (leider hat ein Pamir nicht auch noch Platz in  meiner Handtasche), der „Elfi-Flüüger“ gleich über dem Hausdach, die Liste kann fast unendlich weitergeführt werden, aber eben, das Tippen der Tastatur passt zur Zeit gerade nicht in meine Umgebung). 

Geräusche, die meine Ohren auf der Insel wahrnehmen: Wellenrauschen, sanfte Vogelstimmen und feine Flügelschläge, Birkenblätter, die leise im Wind rascheln (es müssen ja nicht immer Palmen sein), Hasenpfoten, die über die Wiese trippeln, Moskitos, die ans Fenster klopfen, das Wiegen der Hängematte (nein, leider nicht, davon träume ich erst). Seit der Erfindung des E-Books ist während der Lektüre nicht einmal mehr ein Umblättern zu hören. 

Wofür ich mich entscheide? Ich bleibe auf der Insel, so lange wie möglich, so still wie möglich, so entspannt wie noch nie. Der kleine Supermarkt im Nachbarsdorf sichert das leibliche Wohl, Sonnenhut und –brille übernehmen den Rest, und natürlich nicht zu vergessen die bequemen schwedischen Strandstühle.

Sogar während ich hier am Wohnzimmertisch sitze und diesen Text schreibe, höre ich den Wind durch die Bäume sausen, durch eine runde Luke sehe ich direkt hinauf in den Himmel. Hinter mir sind das Meer und ein grosses Holzdeck, auf dem genügend Platz für Liegebett, Lesestuhl oder eben eine Hängematte ist.

Was mich zusätzlich zur Ruhe kommen lässt: Es gibt kein Internet, sprich keine Mails, keine Whatsapps, keine Möglichkeit zum Zeitunglesen (ausser in Papierform, auf Schwedisch), keinen Wetterbericht, kein regelmässiges in-die-Hand-Nehmen des Smartphones, weil mir ja in der Zwischenzeit jemand etwas unglaublich Wichtiges hätte schreiben können. Sogar der Fernseher ist frei von deutschen Sendern. Zudem ist die Qualität der Übertragung so schlecht, dass die Augen und Ohren laut aufjaulen und ich mich wieder dem Buch, dem Stück Schokolade oder dem Glas Wein zuwende (idealerweise nicht oder, sondern und).

Zusammengefasst: Ohne Netz (und doppelten Boden) auf direktem Weg ins Paradies.