Sonntag, 16. Februar 2014

Weiter bilden oder weiter laufen?


Nachfolgend ein kleines gedankliches Experiment:

Stellt euch vor, ihr möchtet Autofahren lernen. Ihr kauft euch ein 600 Seiten dickes Buch und arbeitet es akribisch durch. Danach bucht ihr einen 5-wöchigen Intensivkurs, der euch aufs Autofahren vorbereiten soll. Ihr sitzt im Kurs und stellt fest, dass haargenau dasselbe Wissen vermittelt wird wie im Buch, das ihr Zuhause als Vorbereitung (freiwillig und nicht auf Empfehlung des Kursanbieters) gelesen habt. In jeder Lektion wird fast wörtlich dasselbe wiederholt, das auch im Buch steht, die Handouts, die verteilt werden, sind Kopien aus eben diesem Buch. Schönes Pech, oder? Und sehr langweilig, fünf Wochen das zu hören, was ihr bereits gelesen habt. Hinzu kommt, dass ihr Autofahren ja nur richtig lernt, wenn ihr praktische Erfahrung sammelt, ein Buch lesen alleine reicht nicht. Aber auch die praktische Anwendung wird nicht wirklich vermittelt im Kurs. Was also macht ihr?

Genau, den Kurs nicht mehr weiter besuchen. Darum sitze ich nun in Berlin und habe zum ersten Mal im Leben eine Weiterbildung nicht fertig gemacht. Das ist einerseits ein sehr seltsames Gefühl, andererseits aber auch befreiend. Nun kann ich die kommenden Wochen für mein Fernstudium nutzen und gleichzeitig Kilometer um Kilometer die Stadt erkunden. Eigentlich eine paradiesische Situation, mal abgesehen vom Frust betreffend Weiterbildung, den ich jedoch bereits am Abbauen bin.
 
Übers Wochenende begegneten mir, nebst den Gedanken, die ich mir zu meiner Weiterbildung resp. deren Abbruch, gemacht habe, viele spannende und positive Situationen, Bilder, Eindrücke, Gerüche und Menschen. Ich war stundenlang zu Fuss unterwegs (öV habe ich noch keine benutzt, damit warte ich bis mein erstes Paar Schuhe keine Sohlen mehr hat), immer mal wieder hat mich der Fernsehturm von einer anderen Seite angezwinkert. Trotz Wolken am Samstag und Sturm am Sonntag habe ich diese Streifzüge sehr genossen, ab und zu musste ich auch mal stehenbleiben und lauthals lachen, zum Beispiel an der Postdamer Strasse, nicht weit vom Potsdamer Platz entfernt. Da schaue ich zur gegenüber liegenden Strassenseite und sehe 3 Firmennamen, in exakt dieser Reihenfolge:

Löffelei – Bestattungsunternehmen – Ave Maria

Ich gebe also den Löffel ab (das ist übrigens ein Suppenrestaurant, das ich aus naheliegenden (Ab)Gründen nicht getestet habe), danach lande ich im Unternehmen des Bestatters, um gleich darauf einige Ave Marias zu hören (die verkaufen CDs, Bücher und Kerzen einer Sekte). Auch interessant war das unschön geparkte Auto, dessen Motorhaube bis über das Trottoir hinausreichte. Automarke war Audi, Autonummer jedoch „B-MW 123“. Wie das wohl passieren konnte?

Auch an der Kultur kommt man(u) nicht vorbei: das Gruselkabinett lag quasi auf dem Gehsteig (da stieg ich aber elegant drüber hinweg, weil ich sonst Albträume hätte und die nächsten paar Tage zähneklappernd im Bett läge), das Brandenburger Tor mit Reichstag und allem was sich dort sonst noch so trifft, die Landesbibliothek, das Stadt-Archiv, der Tiergarten mit Siegessäule (die wirklich nicht zu übersehen ist), das Museum der Kulturen, etc.
 
Für mich ist auch der Wochenmarkt am Samstagmorgen eine kulturelle Erfahrung mit all seinen Marktständen, an denen Gerichte aus der ganzen Welt gekocht werden, mit Marktbesuchern jeglicher Couleur, mit dem Sprachgemisch und den exotischen Düften, die über dem Platz schweben. Dieselbe Stimmung hat mich auch in den Markthallen am Kreuzberg fasziniert, und ebenso am Berliner Hauptbahnhof. Einfach in einem Café sitzen und das Stimmengewirr auf sich wirken lassen, zuschauen, wie die Menschen auf die Bahn hetzen oder sich etwas zu lesen kaufen, der Diskussion am Nachbartisch zuhören und sich unsicht(hör)bar machen, wenn die Runde auf das Abstimmungsresultat vom vergangenen Sonntag in der Schweiz zu sprechen kommt (häufig so geschehen). Mittlerweile gibt es hier (zu meinem Glück) bereits ein neues heisses Thema, diesmal jedoch ein innenpolitisches, die Schweiz steht also nicht mehr so sehr im Mittelpunkt.

Hier ein paar Impressionen meines Wochenend-Programms, das eindeutig besser war als die Bildqualität:











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