Mittwoch, 19. Februar 2014

Dialekt versus Akzent - oder wie man sich irren kann



FREIHEIT – Wenn ich durch die Stadt wandere, habe ich oft das Gefühl die Schule zu schwänzen (mal abgesehen davon, dass ich dieses Gefühl gar nicht wirklich kenne, weil ich noch nie die Schule geschwänzt habe). Dann fällt mir beim übernächsten Schritt ein, dass ich ja gar nicht mehr da hingehen muss, sondern offiziell ausgetreten bin. Eigentlich schön, ich freue mich jedes Mal beim Gedanken, dass ich jetzt den ganzen Tag zur Verfügung habe, selber einteilen kann, wann, wo und wie lange ich lerne und wann ich nach draussen gehe, die Stadt erkunden, die Sonne geniessen, Cappuccino trinken, Menschen beobachten, Dinge entdecken, Postkarten schreiben, Geschichten erfinden, Zeitung lesen und über mich selber lachen.

Gestern Abend hat mich mein Berliner Kurskollege angerufen, er ist Schauspieler und muss für einen Werbespot vorsprechen. Der Spot soll von einem Deutschen mit Schweizer Akzent gesprochen sein. Da spricht er mir also seinen Text auf „Bääääärndüüütsch“ vor und ich verstehe kein Wort. Er wiederholt ihn noch einmal, und langsam verstehe ich, was er sagen will (respektive muss). An der richtigen Betonung muss noch gearbeitet werden, zum Glück habe ich eine gewisse Zeit in Bern gelebt und weiss, wie das am Ende klingen muss. Er ist also jetzt statt am Unterricht Vorbereiten (er hat im Gegensatz zu mir die Schule nicht geschmissen) am Schweizer Dialekt üben, während ich mir Gedanken mache zu meinem Hochdeutsch.

Am Montag habe ich nämlich endlich mal einen Fuss in eine der vielen Weinhandlungen meiner Strasse gesetzt. Die Dame dort drin war äusserst nett und hilfsbereit, mit einem grossen Wissen über die angebotenen Weine in den Regalen. Wir haben uns nett unterhalten, schliesslich stand ich mit drei Flaschen Weisswein an der Kasse. Während sie mir den Kassenbon überreichte, erwähnte sie beiläufig, dass ich doch sicher aus der Schweiz käme. Ich habe mich vorsichtshalber schon mal geduckt in Erwartung eines verbalen Schlags aufgrund der vergangenen Abstimmung und habe genickt. Als der Schlag ausblieb und ich mich wieder traute hochzuschauen sagte sie nur: „Aber aus der Urschweiz sind Sie nicht, na?“ Nein, sei ich nicht, weshalb? „Na, ich versteh Sie, die Urschweizer versteh ich nämlich nicht!“ Toll, soviel zu meinem Hochdeutsch, die Dame dachte allen Ernstes, ich spreche Mundart mit ihr! Dabei hab ich mir so viel Mühe gegeben, nicht ganz holzfällerisch Hochdeutsch zu sprechen. Offensichtlich denkt sie aber immer noch, dass das ein Schweizer Dialekt sei, und sie ist vermutlich nicht die einzige hier, die das denkt. Mein inneres Gleichgewicht ist erschüttert!

Ich werde also heute Abend bei meinem deutschen Kollegen Sprechunterricht nehmen, das soll mir nicht noch einmal passieren! Auch wenn die Deutschen unseren Dialekt (NICHT Akzent, wohlgemerkt) süss finden. Ich kann es immer noch kaum fassen, dass mir das tatsächlich passiert ist.

Auf jeden Fall gebe ich mir in Zukunft noch viel mehr Mühe mit meinem Hochdeutsch, so dass es nicht mehr als Schweizer Dialekt verkannt wird, sondern allenfalls noch einen leichten Akzent hat, der aber auch süddeutsch sein könnte. Und wenn alles nix nützt, habe ich ja noch die drei Flaschen Weisswein im Kühlschrank (die meine innere Ruhe sicher wieder herstellen).




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