Donnerstag, 25. September 2014

Nachhaltig verhagelt




Wochenendwetter kann eine Herausforderung sein. Ich war zwei Tage im Chancental (alias Rheintal), eingeladen von meinen Eltern. Die Idee war ein gemütliches Abendessen im smäx in Altstätten, laut Aussage meiner Eltern ein sehr lohnenswertes Verpflegungsziel. Im Wissen darum, dass es an solchen Abenden immer mehr als genug zu essen und zu trinken gibt, war für den Nachmittag eine Mountainbiketour auf den St. Anton geplant. 

Meteo Schweiz hat konsequent warmes, trockenes Föhn-Wetter gemeldet, Tag für Tag, bis am Freitagabend. Dann war auf einmal die Rede von „Waschmaschinenwetter“, Gewittern, Föhneinbruch schon am Samstag statt wie geplant erst am Sonntag. Nichtsdestotrotz war ich guten Mutes und startete, nach Abwarten eines Starkregens, in Richtung Berge. Heiss und schwül war bloss der Vorname der Witterung, und plötzlich war mir auch der Begriff „Waschmaschinenwetter“ deutlich einleuchtender.

Je höher die Tour ging, desto dunkler wurden die Wolken, und desto bedrohlicher war das Donnergrollen. In solchen Situationen gilt das Motto: „Augen zu und durch.“ (Mein übliches Bike-Motto „Schleiken statt Biken“ hatte ich dank einer Irrfahrt schon hinter mir). Trotzdem war kurz vor dem Ziel Schluss, Hagelkörner pflasterten den Weg, riesige Regentropfen klatschten schmerzhaft auf die Nase, notfallmässig einen Unterstand Suchen war angesagt. Nach Verzehr einer Tafel Schokolade und immer noch ohne Aussicht auf eine blaue Wolke fiel der Entscheid pro Umkehr.

Mittlerweile war alles durchnässt, die Strasse, die Waldwege, die Wurzeln, wodurch die meisten interessanten Abfahrten infolge Sturzgefahr
nicht mehr in Frage kamen. Schlitternd und leicht unsicher (in Ermangelung von Scheibenwischern an den Brillengläsern) ging es an die Abfahrt, unter mittelmässig amüsanten Bedingungen. Ohne Schutzblech (und diese sind ein absolutes No-Go unter Bikern) fliegen einem die Regenwürmer ungebremst um die Ohren, der Schlamm kleistert erst die Brille, dann die Nasenlöcher zu, und während der nächsten zwei Tage knirscht der Dreck noch immer zwischen den Zähnen. WIE saugfähig die Einlage einer Bikehose tatsächlich ist, wusste ich bis dahin auch nicht, ich vermute jedoch, dass problemlos ein Hektoliter Wasser darin gespeichert werden kann. Das macht die ganze Sache dann doch eher unangenehm und füllt die Bikeschuhe schnell bis zum Rand, und zwar von oben, nicht nur wegen der knietiefen Pfützen von unten.

Nach einer warmen Dusche und befreit von sämtlichen Regenwürmern ging es mit knurrendem Magen Richtung Futternapf. Ein kleines Lokal, vormals ein Spielsalon, erwartete uns, neu renoviert. Die Inhaber haben eine Atmosphäre geschaffen, die einerseits die ganze Welt umarmt, andererseits aber auch Raum lässt für Lokalkolorit. Ein ganz und gar sympathischer, weltoffener, toleranter Eindruck, von A bis Z. Es lohnt sich sogar, den Text auf der Speisekarte zu lesen. Dieser schläfert den Gast nicht wie üblich mit der Historie des Restaurants ein, sondern bringt ihn zum Schmunzeln, zum Nachdenken oder gar beides, während gleichzeitig die Charakteristik der Gastgeber durchscheint.

Nachhaltigkeit und Produkte aus der Region haben sie sich auf die Fahne geschrieben, jedoch ohne den hin und wieder anzutreffenden aggressiv ökologisch-alternativen Touch, sondern aufgelockert mit augenzwinkernden Sprüchen. Ich jedenfalls habe ihnen auf den ersten Blick abgenommen, dass Nachhaltigkeit nicht nur ein Papiertiger ist, sondern gelebt und gekocht wird. Mein Vater (den ich eher zu den  Karnivoren zählen würde) hat sich sogar zu folgender Aussage verleiten lassen: „Bei diesem guten Gemüse könnte ich glatt zum Vegetarier werden!“ Was er natürlich dann doch nicht wurde.

Essen und Trinken im smäx ist kurz gefasst ein grosses Vergnügen, die Bedienung authentisch, das Lokal sympathisch und modern, so dass ich grosse Lust hätte, es nach Winterthur zu exportieren. Übrigens waren die selbstgebackenen Nussgipfel (für mich eine eher seltsame Art von Dessert in einem Restaurant, aber auf Empfehlung des charmanten Hausherrn trotzdem bestellt) so gut, dass wir zwei weitere für den Sonntagmorgen gekauft haben. 

Alles in allem trotz Hagel ein nicht verhageltes Wochenende, von dem ich neben einem nachhaltigen Restauranteindruck vor allem auch das unglaubliche Fassungsvermögen von Bikehosen in Erinnerung behalten werde.

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