Unglaublich, nach einem gemütlichen, menschenreichen Abend
in Zürich eile ich auf den einen Zug, der direkt bis nach Wiesendangen
durchfährt, was mir abends jeweils immer sehr entgegenkommt. Bloss, wo steht er
denn? Er fährt um 21.52 Uhr auf
Gleis 52, vermutlich haben die SBB
das so gemacht, weil es für mich einfacher zu merken ist. Aber heute steht er
nicht dort… und siedend heiss fällt mir ein, dass da ja ein neuer Bahnhof
existiert, im Untergrund des Hauptbahnhofs Zürich. Tatsächlich, mein Zug fährt
auf dem mir unbekannten Gleis 33. Gleis 33??Klingt auch gut, und netterweise
wurde die Abfahrt 3 Minuten nach hinten geschoben, was heisst, dass ich den Zug
auch dann erwische, wenn ich knapp vor 21.52 Uhr auf dem falschen Gleis warte.
Und einigermassen gut zu merken ist die neue Verbindung auch: 21.55 Uhr auf
Gleis 33, Schnapszahlen lassen grüssen (und sagen nichts über den Zustand der
Passagiere aus!).
Also nichts wie los: kurze Orientierung wo ich genau stehe,
dann ein paar Treppen runter ins Untergeschoss. Seltsam, alles in Weiss und
Marmor gehalten, Blumenarrangements,
Gartenatmosphäre, Rolltreppen, goldene
Decke, alles ruhig und friedlich. Nur keine Menschen!!! Ein Geisterbahnhof! Da,
wo ich mich sonst immer beklage, dass es zu viele Mitkreaturen um mich herum
gibt, war NIEMAND! Gähnende Leere, das gibt’s ja gar nicht, und das am
Hauptbahnhof in Zürich! Meine Vermutung ist, dass ganz viele Passagiere den Zug
verpasst haben, weil sie wie ich auf dem Gleis 52 gewartet und zu spät
realisiert haben, dass sie dort niemals einen Zug finden, der sie nach Hause
bringt.
Ich sitze also nun im warmen, leeren Abteil, und versuche
mich psychologisch auf die nächste Nacht vorzubereiten. Passend zum Geisterbahnhof
eine grosse Herausforderung, obwohl ich normalerweise weit entfernt von grundsätzlich
hysterisch bin… warum? Ich habe letzte Woche zweimal morgens um drei einen Mann
mit Stirnlampe auf unserer Strasse gesehen. Er ist mit dem Auto gekommen,
ausgestiegen, um die Häuser geschlichen, hat die Fassaden hochgeleuchtet.
Natürlich habe ich die Polizei angerufen, die fanden das aber nicht weiter
beunruhigend, weil sie davon ausgehen, dass ein Dieb sicherlich ohne
Beleuchtung unterwegs wäre. Was mir einleuchtet (sprichwörtlich),
aber das Verhalten des Stirnlampenmanns nicht weniger seltsam macht.
Nun hoffe ich einerseits, dass ich nicht mehr mitten in der
Nacht erwache und den Schein einer Stirnlampe an der Zimmerdecke sehe,
andererseits hoffe ich aber auch, dass ich den Mann noch einmal in Aktion sehe
und ihn an jener Stelle nach seiner Motivation fragen kann. Was treibt einen
Menschen morgens um drei auf die Strasse, mit Stirnlampe? Fledermäuse sind um
jene Uhrzeit nicht mehr unterwegs, Igel leben nicht an der Hausfassade,
Bauschäden werden tagsüber begutachtet, Gärtner und Maler sind auch eher
tagaktiv… ich überlege mir ein Szenario nach dem anderen, keins davon passt,
also bleibt nichts anderes übrig, als den ganz klar nachtaktiven Menschen zu fragen,
was er da genau macht.
Sollte er tatsächlich einer wissenschaftlichen Frage
nachgehen, wäre es wohl angebracht, er hätte via Flugblatt auf sein Vorhaben
aufmerksam gemacht. Was soll ich nun hoffen? Auf jeden Fall werde ich sämtliche
Rollläden schliessen, ein Licht brennen lassen (für einmal lasse ich
Stromsparen Stromsparen sein), und, für mich äusserst ungewöhnlich, mein Handy
angeschaltet neben das Kopfkissen legen. So, ich bin parat für die nächste
Geisternacht (äh, nun ja, nicht ganz, aber fast).
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