Vor drei Tagen bin ich wieder zurück in die Schweiz
eingewandert (habe ich also zur Masseneinwanderung beigetragen? Dafür würde ich
mich selbstverständlich schon jetzt vielmals entschuldigen, ich wüsste zwar
nicht bei wem, aber das ist wohl nicht so von Bedeutung). Das frühlingshafte
Wetter hat es mir leicht gemacht, mich schnell einzuleben, obwohl das
emissionsstarke Vogelgezwitscher mich am Morgen nicht ausschlafen lässt. Die
Sonnenstunden im Garten und die ersten Bienen haben
mich jedoch sofort wieder entschädigt für die gestohlenen (oder sind sie nun
geschenkt, weil ich viel früher erwachte?) Schlafminuten.
Am Montagmorgen früh pendle ich nun also zum ersten Mal in
Richtung Zürich zu meinem neuen Arbeitgeber und bin gespannt was mich dort
erwartet. Die Stellenbeschreibung klingt interessant, die Menschen, die ich bisher
kennenlernen durfte, machen einen äusserst sympathischen Eindruck, es kann also
nichts schief gehen, vorausgesetzt ich finde die Adresse. Vermutlich hätte mein
Chef keine Freude, wenn ich zwei Stunden zu spät erscheine, nur weil ich das
Gebäude nicht finden konnte (liegt aber durchaus im Bereich des Möglichen bei
meinem ausgeprägt schlechten Orientierungssinn). Immerhin hatte ich vier Wochen
„Orientierungssinn-Trainingslager“ in Berlin, auch wenn ich das eher „Kartenlese-Training“
nennen würde. Ich bin aber zuversichtlich und habe mich selbstverständlich
intensiv mit dem Wegfindungsprozess beschäftigt. Wenn sich nun einige Leser
fragen, weshalb ich allenfalls mein Büro nicht finden könnte, da die
Vorstellungsgespräche ja sicher vor Ort stattgefunden hätten: Das stimmt
natürlich, bloss wurden die Arbeitsplätze in der Zwischenzeit temporär verlegt,
was mich wieder auf mein Kartenstudium zurückbringt.
Zuversicht gibt mir auch, dass ich meine Schweizer Besuche
mehr oder weniger kartenlos (nicht kreditkartenlos) durch Berlin führen
konnte. Nach all den Spaziergängen wusste ich mit ziemlicher Sicherheit, ob
zumindest die Himmelsrichtung stimmt oder der Fernsehturm gefühlsmässig an der
richtigen Stelle steht. Für jemanden wie mich, der in einem Tal aufgewachsen
ist, in dem es naturgemäss nur aufwärts oder abwärts geht, ist das schon eine
grosse Leistung, finde ich (ja danke, klopft mir nun bitte auch auf die Schulter).
Vortrainiert habe ich übrigens in der Region Winterthur, da gibt es zwar
Himmelsrichtungen, aber keinen Fernsehturm, an dem ich mich hätte orientieren
können. Anfangs war das ein Schock, keine Velotour verging, ohne dass ich nicht
auf 90% der Strecke keine Ahnung hatte, wo ich war, und das über Jahre! Ich
konnte mich einfach nicht daran gewöhnen, dass statt lediglich Fahrtrichtung auf-
und abwärts plötzlich 360⁰ möglich waren. Mittlerweile habe ich mich leicht
verbessert, trage aber trotzdem noch oft zur Erheiterung (oder Ernüchterung ob
solch grossem orientierungsmässigen Unvermögen) meiner fahrradfahrenden Umgebung
bei (Autos haben mittlerweile ja zum Glück einen Kompass eingebaut).
Ich werde mich jetzt noch einmal dem Kartenstudium widmen, mir den Weg für Montagmorgen gut einprägen
und dann noch ausgiebig das 360⁰-Panorama an der Sonne geniessen,
idealerweise vom Liegestuhl aus, so kann ich mich am wenigsten verirren.
Und nun geniesst den Frühling, ob mit oder ohne Himmelsrichtungen, Hauptsache die Sonne scheint.
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