Dienstag, 6. Oktober 2015

Ein Velo am Karren

Was haben ein Velo und ein Karren gemeinsam? Eigentlich nichts, auf den ersten Blick. Im Rheintal allerdings gibt es einen Aussichtsberg mit dem Namen Karren (wäre interessant hier Namensforschung zu betreiben). Ohne einen Schweisstropfen zu vergiessen könnte man mit der Bahn hochgondeln, die Wanderung durch die Rappenlochschlucht bis ganz nach oben ist aber um einiges spannender, weshalb wir vor einem Familien-Essen eben dies planten (um abends mit einem etwas weniger schlechten Gewissen die nicht gerade leichte österreichische Küche geniessen zu können, Triplerahmsauce lässt grüssen).
Mein Vater begleitete uns, Treffpunkt Talstation Bergbahn. Dort stellten wir unser Auto und er sein Velo ab, vorbildlich im Velounterstand (nicht das Auto) und abgeschlossen wie es sich gehört. Wir zogen los, vorbei am Rolls Royce-Museum, vorbei am Krippenmuseum, NICHT vorbei an der ersten Jausestation. Dann weiter durch die imposante Rappenlochschlucht, immer weiter nach oben, steil und unwegsam, über unendlich viele Treppenstufen, aber im wunderschön herbstlich gefärbten Wald bei angenehmen Temperaturen.
Nach dieser Anstrengung winkte die nächste Jausestation (das ist das Sympathische an Österreich, um jede Ecke wartet eine Einkehrgelegenheit), und mit ihr auch das Jausebrettl (oder die Brettljause, ich konnte mir das Wort einfach nicht merken). Geführt von zwei alten Männern und einer ähnlich alten Frau war dieser Einkehrort ein Erlebnis für sich. Gastgeber waren sie alle drei nicht, aber auch nicht direkt unfreundlich, sondern einfach sehr speziell. 

Die Frau aus besagtem Dreierbund setzte sich aus mir immer noch unerklärlichen Gründen für eine Viertelstunde an unseren Tisch (von der schlange stehenden Gästen unmittelbar neben ihr liess sie sich nicht im Geringsten aus der Ruhe bringen) und schwatzte ununterbrochen auf uns ein. Wie sie mit ihrem Pinzgauer schon die ganze Schweiz befahren hätten, wie teuer die Parkgebühren seien, wie blöd es sei, dass die Bergbeiz, die sie besuchen wollten, genau am Mittwoch Wirtesonntag (ähm, eher wohl Wirtemittwoch?) gehabt hätte statt wie alle anderen am Montag, dabei hätten sie die Strassen-Maut dort hinauf schon bezahlt, und die war doch so teuer! Nur um vor einem geschlossenen Bergrestaurant zu stehen. Irgendwann konnte sie die immer länger werdende Gästeschlange dann doch nicht mehr ignorieren, und wir wendeten uns wieder dem Jause-Brettl zu (und dem inzwischen leicht angeschmolzenen Bergkäse).
Nach einem kurzen Marsch zur Bergstation gondelten wir friedlich zu Tal (nun ja, so friedlich wie man sich als Sardine halt fühlen kann). Unten angekommen entschied sich mein Vater gegen unser Angebot, das Velo bei uns einzuladen (was hoffentlich nicht an meinen Fahrkünsten lag, ich frag ihn besser nicht). Lieber legte er auch den Rückweg wieder auf zwei Rädern zurück, vorausgesetzt natürlich, dass sein Drahtesel noch an Ort und Stelle sei. Was er erstaunlicherweise auch war. Aber was war denn da an sein Velo angelehnt? Meine Augen wurden suppentellergross: eine riesige Eisenschere! Sicher 60 cm lang war sie, ein Werkzeug, mit dem man in drei Sekunden jedes Veloschloss knackt. Und das im Velounterstand, an seinem schönen, geliebten Velo, völlig fehl am Platz! Mein Vater, wie immer ganz die Ruhe selbst, stellte das Ding völlig unerschüttert an das nächste Velo, entriegelte sein Veloschloss und radelte beschwingt los in Richtung Rebstein.

Noch jetzt sehe ich das Bild vor mir, leider habe ich vor lauter Schreck meinen Fotoapparat nicht gezückt. Darum hier kein Originalbild und auch kein typenähnliches, aber egal.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen