Samstag, 5. April 2014

Zebra, Reh und Sardine


Ich kann verstehen, dass die obige Kombination auf den ersten (und vielleicht auch auf den zweiten) Blick keinen Sinn macht. In meinem Kopf hingegen hängen sie zwar nicht extrem direkt zusammen, sind sich jedoch an ein und demselben Tag begegnet und in meiner Erinnerung hängen geblieben, ich habe also quasi einen Zoo im Kopf.
Das Zebra: Während der Überarbeitung der verschiedenen Sprachversionen eines Auftrags führten mein Chef (nein, er ist natürlich nicht das Zebra) und ich kürzlich eine Diskussion über die kleinen Trennzeichen in grossen Zahlen wie z.B. 1‘000‘000. Je nach Sprache (und vermutlich Auslegung des Linguisten) sind diese Zeichen nämlich mal oben, mal unten, mal Punkt statt Komma. Ziemlich undurchsichtig, insbesondere, wenn wir von einem Kunden verschiedene Sprachversionen erhalten und innerhalb der Sprachversion diese Zeichen mal oben und mal unten sind. Mir wäre das einigermassen egal, solange die Zahl stimmt und leserlich ist, ihm auch, bloss dem Linguisten nicht. Nachdem wir uns in diesem Punkt geeinigt haben, fielen uns weitere Themen ein, die unserer Ansicht nach ähnlich überflüssig sind wie Trennzeichen oben oder unten und ganz einfach nur das Leben verkomplizieren.

Die Fussgängerstreifen-Diskussion beispielsweise bringt mich immer wieder zum Schmunzeln. In regelmässigen Abständen fühlen sich die weiblichen Wesen betupft, weil der Fussgängerstreifen eben Fussgängerstreifen heisst und nicht Fussgängerinnenstreifen (oder allenfalls noch Fussgänger- und Fussgängerinnenstreifen, damit könnten sie ja auch noch leben, aber auch nur in umgekehrter Reihenfolge). Ziemlich unpraktisch im täglichen Gebrauch, finde ich, denn bis ich das lange Wort nur schon gedacht habe, ist meine Begleitung wohl längst auf der anderen Strassenseite angelangt.
Der Kanton Bern wollte dieses Problem elegant aus dem Weg schaffen indem er die gelben Streifen einfach offiziell in Zebrastreifen umbenannt hat. Ich finde das unerhört! Hat jemals irgendein Mensch daran gedacht, dass sich das Zebra wohl auch betupft fühlen könnte, weil es für die Namensgebung dieser gelben Dinger herhalten muss? Und wie sieht das nun genau aus mit der Farbe? Um konsistent zu sein müssten sämtliche Zebras in der Schweiz ihre schwarzen Streifen (sind sie denn nun überhaupt weiss mit schwarzen Streifen oder schwarz mit weissen Streifen?) gelb einfärben, was wohl die Farbindustrie deutlich mehr erfreuen würde als die Zebras. Lassen wir das, denn wenn wir den Faden weiterspinnen und daran denken, wie wir unseren Kindern erklären müssten, weshalb der Zebrastreifen nun gelb, das Zebra selber aber schwarz-weiss ist, wird die Geschichte immer verwirrender.

Wie passen denn nun das Reh und die Sardine in eine Büchse, resp. in eine Reihe? Das ist viel einfacher zu erklären und der SBB zu verdanken. Am Tag der Zebra-Diskussion bin ich zur Stosszeit in eine Stellwerkstörung geraten und musste meine Heimreise deshalb auf den späteren Abend schieben. Nachdem viele Züge ausgefallen sind, einige nur Teilstrecken bedienten und alle anderen Verspätungen hatten, war der Andrang auf dem Perron riesig, als der Zug endlich kam. Die Menschenmenge erinnerte ein wenig an Indien, und auch die Vollbesetzung im Zug war nicht viel besser. Ich als höflicher Mensch bin als einer der letzten Passagiere eingestiegen, die Sitzplätze waren alle schon besetzt, die Stehplätze auch, trotzdem habe ich mich in die Menge gequetscht.

Es hätte mich nicht sehr verwundert, wenn mir plötzlich Schwimmflossen und Kiemen gewachsen wären, das Sardine-in-der-Büchse-Gefühl war übermächtig. Immerhin hatte ich trotz Sardinenfeeling die Möglichkeit aus dem Fenster zu schauen. Und dann, genau in jenem Moment der absoluten Platzknappheit, habe ich es erspäht. Es stand mitten auf einer grossen Wiese, ganz ungestört am Grasen – das Reh. Der Gegensatz dieser zwei Welten hat mich berührt: Ausserhalb des Fensters das idyllische Bild mit absoluter Ruhe, Einsamkeit, dem Reh inmitten der Frühlingswiese. Im Zugesinnern das pure Gegenteil: Mensch an Mensch gedrängt, heiss, stickige Luft, Angst vor plattgemachten Zehenspitzen und der überwältigende Wunsch einfach nur möglichst schnell wieder aussteigen zu können.
Hätte ich nun also meine Reinkarnation betreffend die Wahl zwischen Zebra, Reh und Sardine, würde ich wohl das Reh wählen, und zwar in einem Jagdschutzgebiet mit Futtersicherheit.

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