Montag, 28. April 2014

Böögg (oder besser für den online-Gebrauch: Boeoegg)



Einem netten, grossen Zürcher Schneemann mit explosivem Kopf habe ich es zu verdanken, dass ich heute Nachmittag statt im Büro im deutlich gemütlicheren Zuhause sitzen darf. Heute ist Sechseläuten und der Böögg wird wie jedes Jahr voraussagen, wie der Sommer werden wird. Für mich spielt das aus zwei Gründen keine grosse Rolle: 1) Ich bin im Sommer nicht hier und 2) stimmt die Prognose meist nicht wirklich (ehrlich gesagt würde ich meiner eignen Prognose auch nicht trauen, wenn sie davon abhängig ist, wie schnell oder wie langsam mein Kopf explodieren wird).

Dank diesem Böögg, egal ob er richtig oder falsch prognostiziert, sitze ich also nun hier und habe ein schlechtes Gewissen. Einerseits habe ich einen Nachmittag frei, der wettertechnisch geradezu einlädt einfach nichts zu tun, tief unter die Decke zu kriechen und dort ein gutes Buch zu lesen. Andererseits aber liegen da noch all die Lernhefte auf dem Tisch, die mich vorwurfsvoll anstarren und darauf warten, dass ich endlich mal wieder eine Seite darin umblättere, im Idealfall sogar mehr als nur eine.

Habe ich nun wirklich die Freiheit, in meiner Freizeit zu tun wonach es mich gelüstet? Oder lasse ich mich tatsächlich von einem widerlich grünen Lernheft mit dem ansprechenden Titel „VOP01“ den freien Nachmittag verderben? Und was ist mit all den Rechnungen, den ungelesenen Zeitungen, den Ferienvorbereitungen, die mich genauso vorwurfsvoll  (aber nicht so prominent vom Tisch aus) anblicken?

Während ich diese Zeilen schreiben, sehe ich mein schlechtes Gewissen langsam davonziehen, mit hängendem Kopf, im Wissen, dass es erfolglos versucht hat, mich an den Tisch zu zwingen. Fast habe ich ein wenig Mitleid mit ihm, aber wirklich nur fast. Ich bin auch sicher, dass es sehr bald wieder bei mir anklopft und früher oder später über mich siegt.

Heute Nachmittag nehme ich mir ganz einfach die Freiheit, meine Freizeit zu geniessen, ich schnappe mir mein Buch, koche mir einen gut riechenden Berliner Tee, und neben dem Sofa steht ein Teller mit Bärentatzen (die ja sowieso nur trocken werden, wenn man sie zulange ansieht statt verzehrt).
Ich winke noch kurz meinem schlechten Gewissen zu, das am Horizont verschwindet, dann klappe ich mein Laptop zu und mache es mir gemütlich, mit Sicht auf Regenwetter und vorbeihastende Schirme.


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