Montag, 3. März 2014

Existiert das Ausweich-Gen? Das Experiment!


Was für ein Wochenende! Selbstverständlich zeigte sich Berlin meinem Schweizer Besuch einmal mehr von seiner sonnigsten und charmanten Seite, so dass wir gemütlich und ohne zu frieren (meist) durch den grossen Markt schlendern konnten, Gesicht an der Sonne und Cappuccino in der Hand, der Duft von Pain au Chocolat in der Nase, es mutete fast ein wenig an wie Paris im Frühling. Danke Berlin, du hast wirklich die schönste Seite herausgekehrt für meinen Aufenthalt hier.
 
An dieser Stelle und nach all den Cafébesuchen möchte ich gerne mal noch einen weit verbreiteten Irrtum aus dem Weg räumen: Es stimmt nicht (mehr), dass es in Deutschland keinen guten Kaffee gibt. Diese Steigerung des Kaffeegenusses hat ausnahmsweise nichts mit einem gewissen Herr Clooney zu tun, sondern mit der Tatsache, dass in vielen Restaurants heute echte italienische Espresso-Maschinen im Einsatz sind, die richtig guten Kaffee machen. Auch der dazugehörige Milchschaum mit der richtigen Konsistenz fehlt natürlich nicht.


Was mir jedoch ebenso stark aufgefallen ist in den letzten vier Wochen ist das offensichtlich fehlende „Auf-dem-Gehsteig-ausweichen“-Gen. Ich dachte schon, ich sei einfach zu sensibilisiert, aber all meine Besucher machten früher oder später auf einer unserer Stadtwanderungen eine entsprechende Bemerkung. Immer waren es wir, die auf dem Trottoir ausgewichen sind, um in letzter Sekunde eine Frontalkollision zu verhindern.


Dieses Wochenende nun  haben wir die Probe aufs Exempel gemacht. Wir starteten beim Kreuzberg und arbeiteten uns westwärts bis zum Mehringdamm. Auf halbem Weg wühlten wir uns zusätzlich durch die Markthalle, die an einem Samstagmittag zum Bersten voll ist, also das perfekte Testumfeld.
Unser Motto lautete: NICHT ausweichen, auch nicht in letzter Sekunde. Natürlich war uns bewusst, dass dieses Unterfangen nicht ganz ungefährlich ist. Wir zwei physisch leichtgewichtigen Frauen im Nahkampf mit den gewichtsmässig doch meist eher überlegenen deutschen Männern (und Frauen, die weichen nämlich auch nicht aus).


Bei den ersten paar menschlichen Hürden haben wir jämmerlich versagt und sind stets noch im letzten Moment zur Seite gehüpft. Irgendwann hat uns aber der Ehrgeiz gepackt und wir hielten unseren Kurs stur bei, Blick nach unten, Muskulatur angespannt, gestählt für den Zusammenprall. Doch nichts geschah! Oft waren nur noch Millimeter zwischen uns und dem Gegenüber, das dann plötzlich doch noch den Ellenbogen einzog oder die Handtasche etwas näher zu sich nahm. Natürlich gab es Streifkollisionen, die den einen oder anderen Ausgleichsschritt verlangten, um nicht die Balance zu verlieren, aber alles in allem kamen wir zum Schluss, dass das Ausweich-Gen tatsächlich vorhanden ist, jedoch einfach nicht prioritär eingesetzt wird (vermutlich liegt es tief im Unterbewusstsein begraben und es dauert einfach eine gewisse Zeit, bis es einsatzbereit ist). Wir auf jeden Fall haben nach dem Experiment weder Beulen am Kopf oder blaue Flecken noch fehlen uns ein paar Zähne.

Was uns ebenfalls aufgefallen ist, dass Touristen sehr viel öfter und schon sehr viel früher zur Seite gehen. Häufig haben wir erst zu spät bemerkt, dass uns ein Tourist entgegen kommt. Die denken nun wohl alle, dass wir diejenigen mit dem fehlenden Ausweich-Gen sind. An dieser Stelle entschuldigen wir uns ganz herzlich bei all jenen Touristen, die uns am Wochenende in Berlin ausweichen mussten und sich allenfalls geärgert haben. Keine Angst, wir sind üblicherweise wohlerzogen und weichen immer als erste aus, egal in welchem Land oder wer uns entgegen kommt.

Jetzt ist fertig mit Berlin-Experimenten meinerseits, ich mache noch ein paar wenige Streifzüge durch die Stadt, bevor mich die Deutsche Bahn am Donnerstag wieder in die Schweiz fährt. Sehr gerne käme ich wieder in die Stadt mit den grossen freien Fläche, die mich atmen lassen, mit viel Transparenz, mit vielen sehr charaktervollen Quartieren und Menschen, mit vielen kleinen Cafés, und nicht zu vergessen, mit viel Kultur (und sei es nur die Curry-Wurst).


3 Kommentare:

  1. Also meine liebe Manu! Ich muß schon sagen! Gene! Du bist auf dem genetischen Holzweg!
    Am besten ich erkläre das mal. Unsere wunderschöne Stadt Berlin ist ja sehr groß und hat ein tolles Verkehrssystem. Man ist in anderthalb Stunden überall, und in 50 Minuten fast überall. Dutzende S-Bahn und U-Bahnlinien bilden eine weites Knäuel, zusammen mit Bussen, Zügen und Straßenbahnen. Wenn man nun in der Stadt eine oder zwei Termine am Tag hat (und da es die Stadt der Freischaffenden ist, haben alle ca. 4 Termine) ist man immer flotten Schrittes unterwegs, weil zwischen den Haltepunkten der Verkehrsmittel gibt es immer noch ein paar Hundert Meter zu gehen. Das trainiert sich auch. Ich erinnere mich als ich die erste Woche in Berlin war, spürte ich abends deutlich meine Beine...
    Nun bewegen sich zwei Gruppen einfach viel zu langsam auf dem Bürgersteig: Mütter mit Kinderwagen (ein großer Aufreger der letzten Jahre) und ...ja sie ahnen es bereits: Touristen. Wir haben nichts gegen Touristen. Echt nicht. Nur ein paar Griesgrame, die gegen alles was haben, aber dieses Zickzack-laufen nervt total... Am besten wäre es also, wenn sie eh alle zum Schlendern gekommen sind, sie weichen ein bissl aus, die Flaneure aus aller Herren Länder, eben mit dem Arm ein bissl Platz machen, Handtasche weg, wie du es beschrieben hast. So machen das Berliner (und Großstädter allgemein) auch, einfach ohne viel Aufwand ausweichen, und nicht 1, 5 Meter Platz brauchen beim spazierengehen und gucken und Sonne geniessen.. wenn es jetzt ein paar Hundert wären, die rumstehen, sich verwundert umgucken ("IST das alles GROSS hier!") könnten die Berliner (man kommt sich manchmal schon komisch vor, wenn man noch arbeitet hier, und abends zu müde ist um beispielsweise in einem Straßencafé zu sitzen oder noch einen Pub-crawl mitzumachen) ein paar Hundert Hacken schlagen, und sich sagen, ja klar, Super-Stadt, klar dass die alle herkommen. Aber wir haben mittlerweile 26 Millionen Übernachtungen im Jahr, und das sind nur die offiziell registrierten, die nicht bei Freunden schlafen (Berliner haben viele Bekannte die alle 1-2 Jahre vor der Tür stehen) und so sind viele Straßen einfach total voll. Unter den Linden zB kann man fast nicht mehr benutzen, so voller langsam gehender, schlendernder Besucher aus allen Bundesländern und Kantonen sind sie. Die 26 Millionen (jede Minute kommen 20 Touris in Berlin an) schlendern natürlich nicht durch Hellersdorf, Heinersdorf, Marzahn, ect, wo noch viel Platz wäre, sondern tummeln sich alle in Prenzlberg, Kreuzberg, Mitte, Schöneberg,..) und sie gehen soooo langsam, weil sie ja alle Urlaub haben... Also kommt ihr Menschen, schaut auf diese Stadt, ihr historisches Schicksal, ihre glanzvolle Wiedergeburt, aber macht auch ein bissl Platz wenn ich mal wieder die richtige S-Bahn verpaßt habe und die 700 Meter von der nächstgelegenen U-Bahn in 4 Minuten schaffen muß und deshalb einen flotten Schritt vorlege, und nicht warten will bis ihr bemerkt habt dass da jemand vorbei will ... Liebe Grüße

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    1. ;-) ich weiss genau, was du meinst (hab mal in Bern gewohnt, da hatte ich dasselbe Problem, Stadt voller Touristen, die sich ihre iPads vor die Augen halten und dadurch blind durch die Gassen schlurfen) ... und vielen Dank für die Erklärung betreffend Ausweich-Gen!

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    2. Da fällt mir ein berühmter Satz von Dürrenmatt ein: "Bern ist eine zu kleine Stadt für Straßenbahnen und derlei." (ist wahrscheinlich für Schweizer total abgedroschen, also dann sorry) LG

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