Montag, 6. Oktober 2014

Dunkel wars, der Mond schien helle…



Genau, dieses Gedicht von einem unbekannten Dichter fällt mir fast jeden Abend wieder ein. Die Strassenlampen, die unsere Strasse beleuchten sollten, beleuchten sie nicht nur, sondern begrellen (neues Wort für die Wortschatzkiste) sie. Die Lampen sind so hell, dass ich problemlos nachts auf dem Weg vom Bahnhof zu unserem Haus ein Buch lesen könnte. Einziges Problem ist mein Multitask-Antitalent, das dafür sorgen würde, dass ich ganz sicher in jeden einzelnen Lampenpfosten knalle, wäre ich lesend und gleichzeitig laufend.
(oder vielleicht kann ich's doch?)
Verschiedene Aspekte dieser Begrellung sind meiner Ansicht nach störend. Erstens muss ich nachts einen dicken Vorhang ziehen, damit es überhaupt einigermassen dunkel wird im Zimmer. Das ist in drei von vier Jahreszeiten nicht so schlimm, im Sommer hingegen habe ich die Wahl zwischen einem dunklen, stickigen Zimmer und einem hellen, gelüfteten. Dunkel UND gelüftet ist unmöglich. Sollte es irgendeinen Grund geben, dass die Strasse tatsächlich so hell beleuchtet sein muss, könnte man die Lampen zumindest weniger hoch montieren, so dass sie nicht in jedes Schlafzimmer leuchten.

Zweitens sind die Dinger mit uralten Leuchtmitteln bestückt. Warum nimmt der Kanton nicht LED? Das wäre deutlich viel sparsamer, günstiger für den Steuerzahler und ebenso effizient (und soooo effizient muss es ja gar nicht sein).

Drittens ist es in einer schönen Sommernacht praktisch unmöglich, ohne Sonnenbrille im Garten zu liegen. Auch hier habe ich wieder die Wahl: Ich liege MIT Sonnenbrille im Liegestuhl, werde nicht geblendet, sehe dafür aber die Sternschnuppen nicht. Oder ich liege OHNE Sonnenbrille im Liegestuhl, und sehe auch keine Sternschnuppen, weil ich die Augen schliessen muss, um nicht geblendet zu werden. Klingt doch sehr nach einer lose-lose-Situation, nicht wahr?

Schon lange habe ich mir vorgenommen, dem Kanton (es ist eine Kantonsstrasse) ein Mail zu schreiben und ihn auf meine Sonnenbrillen-Problematik aufmerksam zu machen. Ob das etwas nützt? Ich weiss, dass es viele Menschen in unserer Strasse gibt, die sich an der Helligkeit ebenso stören, und die ihre Räume ebenso verdunkeln müssen. 

Hat diese Licht-Beschallung allenfalls auch einen Vorteil? Ich könnte Strom sparen (dessen Verschleiss ich zwar in Form von Steuern doch auch wieder bezahle), weil ich abends kein Licht machen muss, wenn ich lesen möchte. Ganz praktisch! Nur frage ich mich dann, weshalb wir ökologie-bewusst im ganzen Haus LED-Lampen montiert haben, wenn vor unserem Haus vier (!!) sehr unökologische Strassenscheinwerfer brennen. Die ganze Nacht! 

Da bin ich schon beim nächsten Punkt: Die Möglichkeit, auf der Strasse zu lesen, besteht zu fast allen möglichen und unmöglichen Zeiten. Unter der Woche (diese dauert von Sonntag bis Mittwoch) wird man zurzeit in Wiesendangen von  abends um 19.00 Uhr bis morgens um 00.30 Uhr erleuchtet, von Donnerstag bis Samstag sogar ohne Unterbruch. Warum fällt mir hier spontan der Begriff "Lichtverschmutzung" ein?

Nun gut, genug gejammert. Der absolut schlagende Vorteil der Wiesendanger Strassenbeleuchtung ist nämlich, dass ich nie, aber auch gar nie, alleine auf der Strasse bin, wenn ich abends erst nach Einbruch der Dunkelheit zurückkehre. Immer ist mindestens einer meiner Schatten vor oder hinter mir, manchmal auch zwei (unabhängig vom Alkoholisierungsgrad meinerseits). Das ist doch ein sehr beruhigendes Gefühl. UND regelmässig hauchen mich diese Laternen poetisch (sprich: pöötisch) an. Zum Schluss zur Beflügelung der Lyriker (sprich: Lüüriker) unter den Lesenden noch das ganze Gedicht:

"Dunkel war’s, der Mond schien helle,
schneebedeckt die grüne Flur,
als ein Wagen blitzeschnelle,
langsam um die runde Ecke fuhr.

Drinnen sassen stehend Leute,
schweigend ins Gespräch vertieft,
als ein totgeschoss’ner Hase
auf der Sandbank Schlittschuh lief.

Ein blondgelockter Jüngling
mit kohlrabschwarzem Haar
sass auf einer grünen Kiste,
die rot angestrichen war.

Neben ihm ’ne alte Schrulle,
zählt' kaum erst sechzehn Jahr,
in der Hand ’ne Butterstulle,
die mit Schmalz bestrichen war." (unbekannter Autor)
 


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