Meist bin ich mir nicht bewusst,
wie stark unsere tägliche Kommunikation genormt ist. In jeden zweiten Satz fliessen
irgendwelche (im Prinzip unnötige) Floskeln ein, ganz unbewusst und im natürlichen
Gesprächsverlauf. Unser Gegenüber reagiert darauf genau gleich genormt.
Beispiele gefällig? Situation: In
der Marktgasse Winterthur bei einer zufälligen, unerwarteten Begegnung:
"Hallo, wie geht’s?" Auf diese Frage erwartet selbstverständlich
niemand eine ausführliche Antwort oder gar ein "Schlecht, danke" (um
Himmels Willen, bloss nicht, wie sollen wir denn DAMIT umgehen?!!). Oder das
allseits beliebte Satzendwort "oder". Situation: Ich lästere über
einen mühsamen Mitmenschen, der mich geärgert hat: "Das isch doch eifach
nöd zum Glaube, oder?" Hier erwarte ich auf keinen Fall eine Zweitmeinung
meines Gegenübers (die im schlimmsten Fall sogar noch vernünftige Argumente
enthält), sondern habe das typisch schweizerische (die Deutschen tun das
nämlich nicht) "oder" einfach angehängt.
Versucht mal eure "oders"
pro Tag zu zählen, ihr werdet erstens über die Menge staunen und zweitens bei
der Zählung erst noch nur einen kleinen Teil berücksichtigen, weil wir meist
gar nicht merken, wenn wir "oder" sagen. Wenn ihr dann auch noch
versucht bei euren Mitmenschen zu zählen, dann wird’s bald schwierig mit eins,
zwei, viele…
Letztens auf dem Weg an eine
Sitzung musste ich allerdings feststellen, dass es Menschen gibt, die sich
dieser gesellschaftlichen Kommunikationsnormung nicht bewusst sind, was ziemlich
irritierend sein kann. Situation: Ich stehe, nach genauer Tagesplanung eine
halbe Stunde vor Sitzungsbeginn auf dem SBB-Perron und warte auf den Zug
Richtung Sitzungsort. Mein Mobile klingelt (es zwitschert natürlich nicht in
voller Lautstärke "Alle Vögel sind schon da", sondern vibriert
unauffällig), am andern Ende ist mein Auftraggeber: "Hallo Manu, wo bist
du?" Ich, mit der normalen, leicht panischen Reaktion auf eine solche
Frage kurz vor Sitzungsbeginn: "Wir haben doch erst um vier abgemacht,
ODER?" – Er: "Das war aber gar nicht meine Frage…" – Ich, leicht
verwirrt: "Mein Zug kommt um viertel vor an." – Er: "Gut, dann
treffen wir uns etwas früher, tschüss." Ich, nun sehr verwirrt:
"……" – Er: aufgelegt. Übliche Rückmeldungen meinerseits wie "Jojo,
isch logisch" auf eine Feststellung seinerseits rufen sofort eine
Konterfrage hervor. "Warum?", "Sicher?" oder "Warum
sagst du jetzt logisch?" Mittlerweile beschränke ich mich auf Schweigen,
"Ja" oder "Nein" und verzichte auf sämtliche Füllwörter und
Floskeln, die ich sonst in Gesprächen häufig verwende.
Er ist übrigens nicht der
Einzige, der so kommuniziert, ich hatte schon Begegnungen, die ganz ähnlich vonstatten
gingen. Ich frage mich dann jeweils, ob nicht ich diejenige bin, die zu viele
leere Worte verwendet und somit sehr ineffizient kommuniziert… es fällt einfach
immer erst dann auf, wenn das Gegenüber tatsächlich jedes Wort wahrnimmt und
erst noch nicht als Worthülse abtut, sondern als ernsthafter Bestandteil des
Gesprächs darauf reagiert. Nach einigen Feldtests in meinem näheren Umfeld
stellte ich jedoch fest, dass es wohl doch nicht an meiner Art der
Kommunikation liegt.
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